Die Spülung des Wurzelkanalsystems ist das Thema des ersten Vortrags von Priv.-Doz. Dr. Tina Rödig, Universitätsmedizin Göttingen. Sie erläutert, warum die Spülung im Rahmen der Wurzelkanalbehandlung so wichtig ist und welche Spüllösungen sich wissenschaftlich und praktisch bewährt haben. Ist im Falle einer irreversiblen Pulpitis von einem nicht oder lediglich oberflächlich infizierten Kanalsystem auszugehen, muss man bei einer nekrotischen Pulpa eine Besiedelung durch vor allem gramnegative Anaerobier postulieren. Deren Endotoxin, Lipopolysaccharide der bakteriellen Zellmembran, hat proinflammatorische Wirkung und führt im fortgeschrittenen Stadium zu einer periapikalen Osteolyse. Kommt es im Rahmen einer Wurzelkanalbehandlung zur mechanischen Aufbereitung der Kanalwände, kann eine Reduktion der Keime um einen Faktor von 100 bis 1000 erreicht werden. Doch bleiben bei runden Kanalquerschnitten 40 %, bei ovalen Querschnitten gar 80% der Wände unbearbeitet. Zusätzlich verstopft der sogenannte Smear Layer, eine Mischung aus Dentinspänen und organischen Substanzen, die Dentintubuli und vermindert im Falle seiner Persistenz die Dichtigkeit der endgültigen Wurzelfüllung. Die Spülung soll diesen Smear Layer entfernen und darüber hinaus zu einer Desintegration des Biofilms führen, wobei sie in unzugängliche Bereiche des Wurzelkanals vordringen soll, ohne dabei Veränderungen des verbliebenen, gesunden Wurzeldentins zu bewirken. Als Standardspülung sollte Natriumhypochlorid (1 %) angewendet werden. Neben seiner antibakteriellen Wirksamkeit, die auf der bakteriotoxischen Potenz freien Chlors beruht, löst es vitales und nekrotisches Pulpagewebe auf und inaktiviert das bakterielle Endotoxin. Zur Entfernung des Smear Layers ist es allerdings nicht fähig. Hierfür sollten zusätzlich Chelatkomplexbildner wie EDTA oder Zitronensäure herangezogen werden. Von vormals durchgeführten Wechselspülungen mit Wasserstoffperoxid und Natriumhypochlorid sollte aufgrund der inhibierenden Wirkung von Wasserstoffperoxid auf Natriumhypochlorid abgesehen werden. Bei einer Persistenz von Keimen wie E. faecalis und C. albicans ist eine zusätzliche Spülung mit Chlorhexidin indiziert. Da ein Zusammentreffen von CHX und NaOCl im Wurzelkanal zur Ausfällung eines potentiell kanzerogenen Präzipitats, Parachloranilin, führt, muss in solchen Fällen eine Zwischenspülung mit Alkohol erfolgen. Generell ist zu beachten, dass nach jedem Instrument eine möglichst hochvolumige Spülung eingesetzt wird, pro Kanal insgesamt mindestens 10 ml.